Fehler machen…

Wenn man das englische Wort für Fehler wörtlich nimmt und frei übersetzt, dann heißt es "daneben Greifen". Mis-Take.

Und Fehler machen ist ein Thema, das ich auch in meinen Gruppen immer wieder mal anspreche. Aus irgendwelchen seltsamen, völlig unlogischen Gründen versuchen wir immer (wieder) perfekt zu sein. Manche mehr, manche weniger. Unglaublich vielen Menschen fällt es schwer nicht perfekt zu sein. Dabei sind wir ausgelegt darauf Fehler zu machen. Wir lernen durch Fehler und lehren durch Fehler. Wir wachsen auf und machen Fehler. Wir müssen Niederlagen erleben um wachsen zu können!  Wir brauchen sie! Und das, was mich am meisten daran bewegt an dieser Null-Fehler Mentalität sind zwei Sachen.

Die eine ist, dass wir alles tun, um uns nicht verletzlich zu zeigen und zu fühlen. Und wir versuchen durch Perfektionismus die Verletzlichkeit auszuspielen. Wenn ich aber wahrhaftige, erfüllende Begegnung haben möchte, dann brauche ich die Fähigkeit meine eigene Verletzlichkeit zu riskieren und muss es aushalten können sie zu fühlen. Sie ist unser größter Freund und nicht unser Feind! Es ist das kostbarste Geschenk, was wir haben und was wir anderen machen können!

Sie ist die weiche Seite, die liebevolle, mitfühlende Seite, die wir alle besitzen. Und… Sie bringt uns mit uns selbst in Kontakt und dadurch ermöglicht sie uns auch erst mit anderen wirklich in Kontakt zu sein. Vielleicht mehr als jedes andere Gefühl (außer vielleicht der Trauer, da bin ich mir nicht so sicher, weil Trauer, wenn sie durchlebt und gefühlt wird, einen sehr ähnlichen Effekt hat).

Verletztlichkeit hat viel mit Berührbarkeit zu tun, und diese Qualität von Berührbarkeit hat die Macht Räume zu öffnen, in denen sich Kohärenz ausbreiten kann. Eine Kohärenzwelle, die alle Menschen in einem Raum berührt und zu öffnen vermag. Wo wir unser Herz spüren können und mit ihm verbunden sind. Deswegen ist es das schönste, was wir haben, weil es dorthin führt, wonach wir alle uns sehnen.

Und es gibt noch eine zweite Sache. Wenn wir zu stolz sind um Fehler zu machen, dann können wir uns nicht entschuldigen. Interessanterweise führt aber eine aufrichtige Entschuldigung zu genau der gleichen Qualität wie die Kohärenzwelle, die Jemand auslöst, in dem er sich mit seiner Verletzlichkeit zeigt. Zu Berührung und Verbindung.

Ich war im Januar bei einer Weiterbildung und wie immer, wenn es um Trauma geht, gab es reichlich AssistentInnen, die das Training begleitet haben. Da wir aber wesentlich mehr TeilnehmerInnen waren, als es AssistentInnen gab, gingen diese durch den Raum und haben nacheinander bei den einzelnen Kleingrüppchen nach dem rechten geschaut. Ich war mit meiner Übungspartnerin gerade an einem guten Punkt und wir waren gerade dabei etwas „auszuhandeln“, als eine Assistenz dazu kam und dazwischen gefunkt hat. Es war natürlich unterstützend und wohlwollend gemeint, jedoch hat sie unseren Kontext nicht mitbekommen, und daher auch nicht gemerkt, an welchem Punkt wir waren, und dass ihr dazwischen funken an der Stelle unpassend war. Sie ist nach der kurzen Intervention auch gleich wieder gegangen, das Problem war nur, dass mich ihre Intervention, Und das ging so schnell, dass ich es bewusst nicht mitbekommen habe, so getriggert hat, dass ich dissoziiert und total erstarrt bin. Leider hat meine Partnerin das nicht erkannt und konnte mich daher auch nicht unterstützen oder aus diesem Zustand herausholen (Sie war keine Traumatherapeutin), so dass diese ganze Geschichte eine ziemlich hohe Aktivierung in meinem Nervensystem hinterlassen hat. Das war am Ende des ersten Tages der Weiterbildung, und als die Ausbilderin mich am Ende im Kreis gefragt wie es mir ginge, weil sie gespürt hat, das etwas nicht in Ordnung ist, bin ich in Tränen ausgebrochen und habe geschildert, dass ich die Intervention der Assistenz nicht verstanden habe, warum sie deswegen dazwischen kam und dass mich das total getriggert hat.

Am nächsten Tag in der Pause kam dann die besagte Assistentin zu mir, hat mich gefragt ob sie mich kurz sprechen könnte. Sie hat sich dann (spürbar von Herzen) bei mir dafür entschuldigt, dass sie am Vortag etwas mit reingebracht hat, und dass sie gesehen hat, dass das nicht gut war und ihr das Leid tue. In dem Moment wo sie das gesagt hat, habe ich gespürt, wie es ganz warm wurde um mein Herz und in meinem inneren, wie es mich geöffnet und mit ihr verbunden hat. Es war so wohltuend, diese aufrichtige Entschuldigung zu hören und zu spüren, dass sie mich gesehen und verstanden hat und mir Mitgefühl entgegengebracht hat, dafür, dass diese Situation soviel in mir ausgelöst hat. Ich habe ganz viel Dankbarkeit für sie empfunden in diesem Moment.  Nach dem Gespräch fühlte ich mich mit einem ganz wohlig warmen Gefühl mit dieser Frau verbunden. Ich war und bin ihr immernoch sehr Dankbar dafür, dass sie diesen „Fehler“ gemacht hat, der uns die Chance geschenkt hat uns am nächsten Tag auf Herzensebene zu begegnen. Und die Chance all das zu lernen, was mir dadurch bewusst geworden ist, und was ich an dieser Stelle mit euch teile, weil es mir so wichtig ist!

Dieses Gespräch mit der Assistentin hat mir so deutlich gemacht, was uns entgeht, wenn wir uns nicht erlauben Fehler zu machen. Wenn wir uns und anderen nicht die Chance geben uns zu entschuldigen und diesen Herzensraum zu teilen, nachdem wir alle uns so sehnen. Wie wäre es, wenn wir endlich einmal akzeptieren würden, dass Fehler passieren, und zwar JEDEM! Und dass sie einfach zu Leben dazugehören, so wie unsere Luft zum Atmen? Dass Fehler machen menschlich ist und dass sie ein Geschenk für alle sind und kein Todesurteil. Wie gesagt, ohne Fehler wachsen und lernen wir nicht.

Auch wenn es nicht angenehm war durch den Trigger in einen frühkindlichen Zustand zurückgeworfen zu werden, so bin ich dieser Assistentin doch dankbar für diese Erfahrung, weil dieser Moment von Begegnung und Verbindung am nächsten Tag so schön war und mir auf einer anderen Ebene sovieles Bewusst gemacht hat, was mir vorher nicht klar war. Und durch diese Begegnung hatte ich dann auch die Gelegenheit, ihr Fragen zu stellen die ich noch offen hatte zu ihrer Intervention, die ich nicht nachvollziehen konnte und habe dadurch auch nochmal einiges klären und dazu lernen können.

Letztlich gibt es nur einen Weg Kritik, und damit Fehler zu vermeiden: Nichts sagen, nichts tun, nicht sein. Und das ist der Preis, den wir zahlen, wenn wir immerzu damit beschäftigt sind perfekt zu sein und keine Fehler zu machen… Wir büßen allem voran unsere Lebendigkeit ein und nehmen uns selbst den Raum zu atmen. Aber ist es das wert? Oder entscheidest du dich dann doch lieber für Fehler, Wachstum, Verletzlichkeit und Verbindung?

Was ist dir wichtiger? Wofür entscheidest du dich?