Was haben Grenzen und Kontakt miteinander zu tun? Ziemlich viel. Denn ob ich Grenzen setzen kann, bestimmt sehr maßgeblich wie sicher ich mich im Kontakt mit anderen Menschen fühle. Ich kann mich nur dann wirklich auf Kontakt einlassen, wenn ich WEIß, dass ich Grenzen setzen kann. Da ich sonst die ganze Zeit über damit beschäftigt bin zu schauen, dass mein Raum sicher ist und bleibt, und dann bin ich weder bei mir, noch bei dem anderen. Oder ich bin nur noch beim anderen und verliere mich selbst. Beides fühlt sich nicht gut an und kostet viel Energie.

Eigentlich ist die Funktion von Grenzen der Schutz des eigenen Selbst. Und soll damit das eigene Überleben sichern. Bei manchen Menschen sind jedoch immer wieder die gleichen Arten von Grenzen sichtbar und weisen auf ein tiefsitzendes Muster hin, dass die Lebendigkeit einschränkt und das früh erlernt und verinnerlicht wurde.

Grenzen bestimmen auch nicht nur ob und wie weit ich mich auf Kontakt einlassen kann, sondern auch wie.

Ich unterscheide zwischen drei Hauptkategorien an Grenzen. Bei manchen sind die Grenzen praktisch nicht existent und somit durchlässig, bei  anderen sind die Grenzen so starr und undurchdringlich (rigide), dass weder etwas rein noch raus kommt. Und dann gibt es welche, die haben klare und dennoch bewegliche Grenzen,  die verbindenden Grenzen. Verbindende Grenzen setzen kann ich jedoch nur, wenn ich mit mir selbst und mit der anderen Person im Kontakt bin. Der Kontakt ist das, was die verbindende Grenze grundlegend von all den anderen Arten der Grenzen unterscheidet.

Wenn ich Rigide Grenzen (also starre Grenzen) setze, baue ich Mauern auf, die weder flexibel noch durchdringbar sind. Es ist eine Grenze, die sehr hart ist und leider auch vieles ausschließt, allen voran die Lebendigkeit. Und die vor allem eines verhindert: Kontakt. Besonders die rigiden Grenzen haben die Funktion das Überleben zu sichern. Sie stammen oft aus einer sehr frühen Zeit in der Kindheit, in der sie wirkungsvoll ihre Aufgabe erfüllt haben. Es war zu schmerzhaft etwas an sich heran oder aus sich heraus zu lassen. In der Konsequenz wurde eine Festung errichtet und das Burgtor hochgezogen. Was das Herz schützen soll, isoliert es aber auch. Wir Menschen brauchen Kontakt und Verbindung, es ist eines unserer Primärbedürfnisse!

Die durchlässigen Grenzen sind welche, die in frühester Kindheit versucht wurden zu setzen, und die von anderen (vor allem Erwachsenen) nicht gesehen und respektiert wurden. Wer in frühester Kindheit wiederholt Missbrauch und andere Grenzüberschreitungen erfahren hat, dem wird es schwer fallen Grenzen zu setzen, und für sich einzustehen, weil die Erfahrung des Grenzen setzen gekoppelt ist mit der Erfahrung der Ohnmacht und Grenzverletzung. Wenn ein Kind immer wieder versucht Grenzen zu setzen um sich zu wehren und immer wieder überwältigt wird in diesem Versuch, beginnen sich die Grenzen aufzulösen. Sie werden dünn und durchlässig, und auch für die Person selbst nicht mehr wahrnehmbar. Man könnte diese Grenzen auch kollabierte Grenzen nennen, weil der erfolglose Versuch Grenzen zu setzen irgendwann aufgegeben wurde.

Als verbindende Grenze werden Grenzen bezeichnet, die flexibel sind. Es gibt einen Austausch zwischen Innen und Außen. Sie ist weich und nachgiebig und kann beliebig an Situationen angepasst und verändert werden. Die Verbindende Grenze setzt voraus, dass ich mich selbst gut spüren und wahrnehmen kann. Und dass ich in der Lage bin aus dem Kontakt mit mir heraus auch mit einem anderen Menschen in Kontakt zu gehen. Verbindende Grenzen sind weich und einfühlsam.

Wenn ich eine verbindende Grenze setze, dann sehe ich mein Gegenüber in seinen Bedürfnissen und bleibe gleichzeitig gut bei mir und dem, was ich gerade brauche. Sätze wie z.B. „Ich möchte da jetzt nicht drüber sprechen, aber wir können uns gerne morgen darüber unterhalten.“, signalisieren dem anderen, ich sehe dich, UND ich bleibe bei dem, was für mich jetzt gerade stimmig ist. Verbindende Grenzen sind eine hohe Kunst, vor allem, wenn man aus einem Ent-grenzten Elternhaus kommt, aber sie sind erlernbar und ein großes Geschenk für zwischenmenschliche Begegnungen!

Da sich die Thematik von Grenzen und Kontakt meistens im Dunkeln des Unterbewusstseins abspielt, biete ich vor allem in meinen Gruppen einen Raum, in dem ihr mit euren Grenzen spielen und sie erkunden könnt. Ihr könnt in einem sicheren und achtsamen Raum nach Herzenslust forschen und herausfinden wo ihr wie mit euren Grenzen in Kontakt seid, und welche Art der Grenze es ist. Welche Grenzen sind Muster? Wo kann ich frei wählen? Wo fängt es an mir Spaß zu machen? Wo fange ich an mich zu spüren und mich lebendig zu fühlen? Wo halte ich mich zurück?

Wo ist mein Bedürfnis nach Sicherheit so groß, dass ich es mir nicht erlaube im Hier und Jetzt zu sein, neues Terrain zu betreten und fremdes zu erkunden? Mich überraschen zu lassen von dem, was dort auf mich wartet? Wann erlaube ich mir neue Erfahrungen zu machen? Um dann vielleicht festzustellen, dass es ganz anders ist, als ich dachte? Wie fühlt sich die neue Erfahrung an?

In dem Moment, wo ich weiß was als nächstes passiert, bin ich nicht mehr in der Gegenwart, sondern in der Vergangenheit. Die Vergangenheit kann ich aber nur in der Gegenwart neu verhandeln. Deshalb geht es darum, sich selbst eine neue Chance zu geben. Die Chance neue Erfahrungen zu machen!

Oftmals steht das Sicherheitsbedürfnis jedoch einem freien forschen im Wege. Dann halten wir an der Vergangenheit fest, an dem gewohnten, weil das bekannte Sicherheit vermittelt. Dabei ist das gewohnte und bekannte nicht immer die beste Wahl. Wenn wir aus einer „schlimmen“ Vergangenheit aussteigen wollen, wenn wir an einem Punkt angelangt sind, in dem wir uns Veränderung und Heilung wünschen, bedarf es der Bereitschaft, der Gegenwart eine Chance zu geben.

Dann braucht es den Mut, in der Gegenwart zu verharren und den Raum zu öffnen, für das was als nächstes passiert und uns davon überraschen lassen... Es braucht Mut, es auszuhalten, nicht zu wissen was im nächsten Augenblick passiert. Es erfordert Vertrauen und vielleicht auch die richtige Begleitung, um dies tun zu können. Aber es lohnt sich, denn genau hier liegt unsere Chance unsere Vergangenheit und auch unsere Zukunft nachhaltig zu verändern!

Natürlich lässt sich die Vergangenheit nicht ungeschehen machen. Aber wir haben die Möglichkeit sie neu zu verhandeln! Wir haben die Möglichkeit die emotionale Ladung aus einem belastenden Ereignis herauszunehmen, so dass der Sog zurück ins Trauma nachlässt und uns erlaubt präsenter im Hier und Jetzt zu sein. Nur in der Gegenwart können wir neue Erfahrungen machen!

Und genau darum geht es mir in meiner Arbeit: Einen Raum zu bieten, in dem wir gemeinsam in achtsamer Begleitung und Kontakt immer wieder neue und heilsame Erfahrungen machen können, die uns erlauben lebendiger und selbstbestimmter sein zu können.